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HOMOSEXUELLER = Eine Person, die sich emotional, romantisch und/oder sexuell primär oder ausschließlich zu Menschen des gleichen Geschlechts hingezogen fühlt.
Allgemeine Beschreibung
Der Begriff "homosexuell" leitet sich aus dem Griechischen ("homoios" = gleich) und Lateinischen ("sexus" = Geschlecht) ab und wurde im 19. Jahrhundert geprägt, um eine dauerhafte sexuelle Orientierung zu beschreiben, die sich auf das eigene Geschlecht richtet. Historisch wurde Homosexualität in verschiedenen Kulturen unterschiedlich bewertet – von gesellschaftlicher Akzeptanz (z. B. im antiken Griechenland oder in bestimmten indigenen Gemeinschaften) bis hin zu strafrechtlicher Verfolgung (z. B. durch Paragraph 175 im deutschen Kaiserreich und während der NS-Zeit). Seit dem 20. Jahrhundert hat sich das wissenschaftliche Verständnis gewandelt: Homosexualität wird heute weder als Krankheit (seit 1990 nicht mehr in der ICD-10 der WHO als Störung klassifiziert) noch als freiwillige "Lebensweise", sondern als natürliche Variante menschlicher Sexualität anerkannt. Biologische, psychologische und soziale Faktoren tragen zur Entstehung sexueller Orientierung bei, wobei die genauen Ursachen noch nicht abschließend geklärt sind. Studien deuten auf pränatale hormonelle Einflüsse, genetische Prädispositionen und komplexe Wechselwirkungen mit der Umwelt hin. Homosexualität ist weltweit verbreitet und kommt in allen sozialen Schichten, Ethnien und Kulturen vor. Die Sichtbarkeit homosexueller Menschen hat in vielen Ländern durch soziale Bewegungen (z. B. die Stonewall-Bewegung ab 1969) und rechtliche Reformen (z. B. Einführung der "Ehe für alle" in Deutschland 2017) zugenommen, während in anderen Regionen nach wie vor Diskriminierung, Kriminalisierung oder sogar Todesstrafen drohen. Die Selbstbezeichnung homosexueller Menschen variiert: Während ältere Generationen oft den Begriff "schwul" (für Männer) oder "lesbisch" (für Frauen) verwenden, bevorzugen jüngere Personen teilweise neutrale Begriffe wie "queer" oder identifizieren sich mit weiteren Labeln innerhalb des LGBTQIA+-Spektrums (z. B. "pansexuell" oder "asexuell"). Wichtig ist, dass sexuelle Orientierung nicht mit Geschlechtsidentität (z. B. trans* oder nicht-binär) gleichzusetzen ist – beides sind unabhängige Dimensionen menschlicher Identität. In der Psychologie und Medizin gilt heute der Konsens, dass Homosexualität keine "Abweichung" darstellt, sondern eine von mehreren normalen Ausprägungen menschlicher Diversität.
Historische Entwicklung
Die Geschichte der Homosexualität ist eng mit kulturellen, religiösen und politischen Machtstrukturen verknüpft. In der Antike wurde gleichgeschlechtliche Liebe in Griechenland (z. B. die Beziehung zwischen erwachsenen Männern und Jugendlichen im Rahmen der "Päderastie") oder im Römischen Reich (trotz späterer Tabuisierung unter Kaiser Hadrian) dokumentiert, während sie im mittelalterlichen Europa zunehmend unter den Einfluss der Kirche geriet und als "Sünde" oder "widernatürlich" gebrandmarkt wurde. Im 19. Jahrhundert begann die medizinische Pathologisierung: Ärzte wie Richard von Krafft-Ebing klassifizierten Homosexualität in seinem Werk "Psychopathia Sexualis" (1886) als "krankhafte Perversion". Diese Sichtweise prägte auch die frühe Psychoanalyse (Sigmund Freud sah Homosexualität zwar nicht als Krankheit, aber als "unreife" Entwicklungsstufe). Erst im 20. Jahrhundert formierte sich Widerstand: 1897 gründete Magnus Hirschfeld in Berlin das Wissenschaftlich-humanitäre Komitee, die erste LGBTQ+-Organisation der Welt, die für die Abschaffung des Paragraphen 175 kämpfte. Die NS-Diktatur verschärfte die Verfolgung (ca. 50.000 Männer wurden nach §175 verurteilt, viele in Konzentrationslagern ermordet). Nach 1945 blieb Homosexualität in der BRD bis 1969 und in der DDR bis 1968 strafbar. Die Stonewall-Aufstände 1969 in New York markierten den Beginn der modernen LGBTQ+-Bewegung, gefolgt von Forderungen nach Entkriminalisierung, Antidiskriminierungsgesetzen und gesellschaftlicher Gleichstellung. Heute ist Homosexualität in vielen westlichen Ländern rechtlich geschützt, während in über 60 Staaten (Stand 2023, Quelle: ILGA World) weiterhin Strafgesetze bestehen – in 11 Ländern droht die Todesstrafe.
Wissenschaftliche Perspektiven
Die Forschung zu Homosexualität umfasst mehrere Disziplinen, die unterschiedliche Aspekte untersuchen: Biologie/Genetik: Studien mit Zwillingen (z. B. Bailey & Pillard, 1991) zeigen eine höhere Konkordanzrate für Homosexualität bei eineiigen Zwillingen (ca. 50%) im Vergleich zu zweieiigen, was auf genetische Einflüsse hindeutet. Die Suche nach einem "Schwulen-Gen" blieb jedoch ergebnislos; stattdessen wird von einem polygenetischen Modell ausgegangen. Epigenetische Forschungen (z. B. Rice et al., 2012) vermuten, dass pränatale Hormone (Testosteron/Östrogen) die Gehirnentwicklung beeinflussen – etwa durch Unterschiede in der Größe des INAH3-Kerns im Hypothalamus (LeVay, 1991). Psychologie: Die American Psychological Association (APA) betont, dass Homosexualität keine psychische Störung ist (seit 1973 nicht mehr im DSM klassifiziert). Studien zu "Konversionstherapien" (versuchte "Umerziehung") zeigen deren Schädlichkeit (z. B. erhöhte Suizidraten; Quelle: Journal of Homosexuality, 2020). Stattdessen wird die Akzeptanz der eigenen Orientierung als zentral für psychisches Wohlbefinden gesehen. Sozialwissenschaften: Forscher wie Michel Foucault ("Geschichte der Sexualität", 1976) argumentieren, dass Homosexualität erst durch die Moderne als Identität konstruiert wurde – zuvor galt gleichgeschlechtliches Verhalten oft als situativ (z. B. in Gefängnissen oder Klöstern). Heute wird die Intersektionalität betont: Homosexuelle Menschen erleben je nach Ethnizität, Klasse oder Behinderung unterschiedliche Formen von Diskriminierung.
Anwendungsbereiche
- Recht und Politik: Homosexualität ist ein zentrales Thema in Menschenrechtsdebatten, etwa bei der Forderung nach Eheöffnung, Adoptionsrechten oder Schutz vor Diskriminierung (z. B. Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz in Deutschland). Internationale Organisationen wie die UN fordern die Abschaffung von Strafgesetzen (Yogyakarta-Prinzipien, 2006).
- Medizin und Gesundheit: Homosexuelle Männer sind überproportional von HIV betroffen (in Deutschland ca. 60% der Neudiagnosen; RKI, 2022), was gezielte Präventionsprogramme (z. B. PrEP) erfordert. Gleichzeitig leiden LGBTQ+-Personen häufiger unter psychischen Erkrankungen aufgrund von Minoritätenstress (Meyer, 2003).
- Kultur und Medien: Die Repräsentation homosexueller Charaktere in Filmen (z. B. "Brokeback Mountain"), Serien (z. B. "Pose"*) oder Literatur (z. B. Thomas Manns *"Der Tod in Venedig") trägt zur Sichtbarkeit bei, wirft aber auch Fragen nach Klischees oder Tokenismus auf.
- Bildung und Pädagogik: Aufklärung über sexuelle Vielfalt in Schulen (z. B. durch Projekte wie "Schule der Vielfalt") soll Vorurteile abbauen. Gleichzeitig gibt es Widerstand von konservativen Gruppen, die eine "Sexualisierung" von Kindern befürchten.
Bekannte Beispiele
1. Alan Turing (1912–1954): Der britische Mathematiker und Computerpionier (Mitentwickler der Turing-Maschine) wurde 1952 wegen "grober Unzucht" mit einem Mann verurteilt und chemisch kastriert. Seine Verfolgung gilt als Symbol für die Unterdrückung homosexueller Menschen im 20. Jahrhundert. 2013 erhielt er posthum eine königliche Begnadigung. 2. Harvey Milk (1930–1978): Der erste offen schwule Politiker in Kalifornien setzte sich als Stadtrat in San Francisco für LGBTQ+-Rechte ein. Seine Ermordung 1978 machte ihn zur Ikone der Bewegung. Der Film *"Milk"* (2008) porträtierte sein Leben. 3. Klaus Wowereit (1953): Der ehemalige Regierende Bürgermeister von Berlin (SPD) kam 2001 mit dem Satz *"Ich bin schwul – und das ist auch gut so" öffentlich heraus und prägte damit die deutsche Debatte über Homosexualität in der Politik.
Risiken und Herausforderungen
- Gewalt und Diskriminierung: Homosexuelle Menschen sind häufiger Opfer von Hasskriminalität (z. B. 1.043 gemeldete Straftaten in Deutschland 2022; BKA). In Ländern wie Russland oder Uganda wird Homosexualität staatlich propagandistisch bekämpft ("Anti-LGBT-Gesetze").
- Soziale Stigmatisierung: "Coming-out"* kann zu Familienkonflikten, Jobverlust oder sozialer Isolation führen. Studien zeigen, dass bis zu 40% der obdachlosen Jugendlichen in den USA LGBTQ+ sind, oft aufgrund von Verstoßung (Quelle: *True Colors United).
- Gesundheitliche Ungleichheiten: Durch Diskriminierungserfahrungen haben homosexuelle Menschen ein höheres Risiko für Depressionen, Suchterkrankungen oder Suizid (bis zu 5× häufiger bei Jugendlichen; The Trevor Project, 2023).
- Religiöse Konflikte: Viele Religionen (z. B. katholischer Katechismus, §2357) lehnen Homosexualität als "sündhaft" ab, während liberale Gemeinden (z. B. "Queer Church"-Bewegungen) Inklusion fördern.
- Rechtliche Lücken: Selbst in progressiven Ländern gibt es Diskriminierung, z. B. bei Blutspende (in Deutschland erst seit 2021 ohne pauschalen Ausschluss für schwule Männer) oder reproduktiven Rechten (z. B. Leihmutterschaft-Verbot).
Ähnliche Begriffe
Bisexuell: Eine sexuelle Orientierung, bei der sich eine Person zu mehr als einem Geschlecht hingezogen fühlt. Im Gegensatz zu Homosexualität (gleichgeschlechtlich) oder Heterosexualität (verschiedengeschlechtlich) wird Bisexualität oft unsichtbar gemacht ("Bisexual Erasure").
Queer: Ein Oberbegriff für nicht-heteronormative Identitäten und Lebensweisen, der bewusst die Fluidität von Geschlecht und Sexualität betont. Der Begriff wurde in den 1990ern von Aktivistinnen reklamiert (z. B. *"Queer Theory" nach Judith Butler).
Asexuell: Fehlende oder sehr geringe sexuelle Anziehung zu anderen Menschen, unabhängig vom Geschlecht. Asexualität wird oft mit Homosexualität verwechselt, ist aber eine eigenständige Orientierung (ca. 1% der Bevölkerung; AVEN).
Trans: Beschreibt Menschen, deren Geschlechtsidentität nicht mit dem bei Geburt zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. Während Homosexualität die sexuelle Orientierung betrifft, geht es bei Trans-Identitäten um Geschlecht (z. B. trans Frau = Frau, der bei Geburt als männlich zugeordnet wurde).
Zusammenfassung
Homosexualität ist eine natürliche und stabile Variante menschlicher Sexualität, die in allen Kulturen und Epochen nachweisbar ist. Trotz fortschrittlicher rechtlicher und sozialer Errungenschaften in vielen Ländern bleiben Diskriminierung, Gewalt und strukturelle Benachteiligung globale Herausforderungen. Wissenschaftlich ist Homosexualität weder eine Krankheit noch eine Wahl, sondern das Ergebnis komplexer biologischer und sozialer Faktoren. Die Anerkennung sexueller Vielfalt ist nicht nur eine Frage individueller Freiheit, sondern auch ein Indikator für den Grad an Menschenrechten und Demokratie in einer Gesellschaft. Offene Aufklärung, rechtlicher Schutz und die Sichtbarmachung positiver Vorbilder sind entscheidend, um Vorurteile abzubauen und ein klimatisches Umfeld zu schaffen, in dem alle Menschen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung gleichberechtigt leben können.
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