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RAKETE = Ein Flugkörper, der durch Rückstoßantrieb (Raketentriebwerk) Schub erzeugt und unabhängig von atmosphärischer Luft funktioniert, um Nutzlasten oder sich selbst in den Weltraum oder suborbitale Bahnen zu befördern.
Allgemeine Beschreibung
Raketen zählen zu den komplexesten technischen Systemen der Luft- und Raumfahrttechnik und basieren auf dem physikalischen Prinzip des Rückstoßes (3. Newtonsches Gesetz: actio = reactio). Im Gegensatz zu Flugzeugen benötigen sie keinen aerodynamischen Auftrieb und keine externe Sauerstoffzufuhr, da sie sowohl den Brennstoff als auch das Oxidationsmittel (bei chemischen Raketen) an Bord führen. Diese Autarkie ermöglicht es ihnen, auch im Vakuum des Weltraums zu operieren.
Die Geschichte der Raketentechnik reicht bis ins antike China zurück, wo Schwarzpulver-Raketen im 13. Jahrhundert militärisch genutzt wurden. Moderne Raketen bestehen aus mehreren Stufen, die nacheinander abgeworfen werden, um die Nutzlast effizienter zu beschleunigen. Die Treibstoffe variieren je nach Anwendung: Flüssigtreibstoffe (z. B. Kerosin/Sauerstoff oder Wasserstoff/Sauerstoff) bieten präzise Steuerbarkeit, während Festtreibstoffe (z. B. in Booster-Raketen) höhere Schubkräfte bei einfacherer Konstruktion liefern.
Die Aerodynamik spielt vor allem in der Startphase eine Rolle, da Raketen in der Atmosphäre stabilisiert werden müssen, um strukturelle Belastungen durch Windscherung oder Schallwellen (bei Überschreiten der Schallmauer) zu minimieren. Die Flugbahn (Trajektorie) wird durch Trägheitsnavigationssysteme und Lageregelungstriebwerke (z. B. Gimbal-Steuerung der Düsen) kontrolliert. Raketen für orbitale Missionen müssen eine Mindestgeschwindigkeit von etwa 7,8 km/s (Erste kosmische Geschwindigkeit) erreichen, um die Erdanziehung zu überwinden. Suborbitale Raketen (z. B. für Forschungsflüge) erreichen geringere Geschwindigkeiten und kehren nach einer parabolischen Flugbahn zur Erde zurück.
Die Entwicklung von Raketen war eng mit der Raumfahrt verbunden, wobei Meilensteine wie die V2 (1944, erste Großrakete), Sputnik 1 (1957, erster Satellit) und die Saturn V (Apollo-Programm) die technologische Evolution prägten.
Technische Komponenten
Eine Rakete setzt sich aus mehreren Kernsystemen zusammen, die eng miteinander verzahnt sind:
*Struktur:** Die Raketenhülle (oft aus Leichtmetallen wie Aluminium-Lithium-Legierungen oder Verbundwerkstoffen wie Kohlefaser) muss extremen Belastungen standhalten – sowohl mechanisch (Beschleunigungskräfte bis zu 5 *g) als auch thermisch (Temperaturen über 3.000 °C an den Düsen). Die Stufen sind durch Trennmechanismen (pyrotechnisch oder mechanisch) verbunden, die nach dem Ausbrennen einer Stufe deren Abwurf ermöglichen.
*Antriebssystem:** Das Herzstück bildet das Raketentriebwerk, das aus Brennkammer, Düse (meist eine *De-Laval-Düse für Überschallströmung) und Treibstoffförderung (Turbo- oder Druckgasförderung) besteht. Bei Flüssigraketen werden Treibstoff und Oxidator separat in Tanks gelagert und über Pumpen oder Druckbehälter in die Brennkammer geleitet. Feststoffraketen verbrennen dagegen ein homogenes Gemisch (z. B. Ammoniumperchlorat mit Aluminiumpulver), das einfacher zu lagern, aber schwerer zu steuern ist.
*Avionik:** Die Bordelektronik umfasst Navigationssysteme (z. B. *Inertial Measurement Units, IMU), Telemetrie für die Datenübertragung zur Bodenstation, sowie Steuerungscomputer, die Echtzeit-Anpassungen der Fluglage vornehmen. Moderne Raketen nutzen oft Fly-by-Wire-Systeme, bei denen Sensoren (Gyroskope, Beschleunigungsmesser) die Position regeln.
*Nutzlastsystem:** Die Spitze der Rakete (Payload Fairing) schützt Satelliten oder Raumschiffe während des Aufstiegs vor aerodynamischen Kräften und Hitze.
Bei bemannten Missionen kommen zusätzliche Lebenserhaltungssysteme und Rettungsmechanismen (z. B. *Launch Escape System) zum Einsatz.
Thermischer Schutz: Besonders bei Wiedereintrittskörpern (z. B. Raumkapseln) werden Hitzeschilde aus ablativen Materialien (z. B. Phenolharz) oder Keramikverbunden eingesetzt, um die kinematische Energie in Wärme umzuwandeln, ohne die Struktur zu beschädigen.
Anwendungsbereiche
- Raumfahrt: Transport von Satelliten in erdnahe Umlaufbahnen (LEO) oder geostationäre Bahnen (GEO), Versorgungsflüge zur Internationalen Raumstation (ISS), sowie Missionen zu Mond, Mars oder Asteroiden. Beispiele sind die Falcon 9 (SpaceX) oder die Ariane 5 (ESA).
- Militärische Nutzung: Interkontinentalraketen (ICBMs) wie die RS-28 Sarmat (Russland) oder Minuteman III (USA) dienen als Trägersysteme für Nuklearwaffen. Taktische Raketen (z. B. HIMARS) werden für präzise Bodenangriffe eingesetzt.
- Wissenschaftliche Forschung: Sondenraketen (z. B. Black Brant) tragen Instrumente in die obere Atmosphäre oder den Weltraum, um Phänomene wie Sonnenwinde oder kosmische Strahlung zu untersuchen. Die NASA-Sonden (z. B. Voyager, New Horizons) nutzten Raketen für interplanetare Missionen.
- Kommerzielle Nutzung: Unternehmen wie Rocket Lab oder Blue Origin bieten kostengünstige Starts für Mikrosatelliten (CubeSats) an, während Raumfahrttourismus (z. B. SpaceShipTwo von Virgin Galactic) suborbitale Flüge für Privatpersonen ermöglicht.
- Rettungssysteme: Fluchtraketen (z. B. Sojus-Rettungssystem) können bei Startunfällen die Crewkapsel von der Hauptrakete wegkatapultieren. Auch einige Kampfflugzeuge nutzen Raketenstartsitzsysteme (Ejection Seats).
Bekannte Beispiele
Saturn V (USA, 1967–1973): Mit 110 Metern Höhe und 2.950 Tonnen Startmasse bleibt sie die leistungsstärkste je gebaute Rakete. Sie brachte die Apollo-Astronauten zum Mond und setzte auf eine dreistufige Konfiguration mit F-1- und J-2-Triebwerken (Treibstoff: Kerosin/Sauerstoff bzw. Wasserstoff/Sauerstoff). Space Shuttle (USA, 1981–2011): Das wiederverwendbare Raumtransportsystem kombinierte eine orbitergestützte Rakete mit zwei Feststoffboostern und einem externen Tank. Es ermöglichte 135 Missionen, darunter den Bau der ISS, scheiterte aber an den hohen Betriebskosten und Sicherheitsrisiken (Challenger- und Columbia-Katastrophen).
Falcon Heavy (SpaceX, seit 2018): Aktuell die leistungsfähigste operative Rakete (Startschub: 22.819 kN), die durch die Wiederverwendung der Booster-Stufen die Startkosten um bis zu 30 % senkt. Sie nutzt Merlin-Triebwerke und kann bis zu 64 Tonnen in den LEO befördern – eingesetzt u. a. für den Start des Tesla Roadster 2018 (Testnutzlast).
Risiken und Herausforderungen
- Technische Komplexität: Selbst kleine Fehler in Treibstoffmischungen, Schweißnähten oder Software können zu katastrophalen Fehlstarts führen (z. B. Ariane 5-Explosion 1996 durch einen Float-zu-Integer-Fehler im Steuerungscode).
- Kosten: Die Entwicklung einer neuen Rakete (z. B. NASA SLS) kostet oft über 10 Mrd. USD. Selbst etablierte Systeme wie die Atlas V verlangen pro Start etwa 100 Mio. USD – ein Hindernis für kleine Länder oder Startups.
- Umweltbelastung: Raketenstarts setzen Treibhausgase (CO₂, Rußpartikel in der Stratosphäre) und giftige Substanzen (z. B. Perchlorate aus Festtreibstoffen) frei. Die ESA schätzt, dass bis 2030 Raketenemissionen 10 % des globalen CO₂-Budgets für die Luftfahrt ausmachen könnten.
- Sicherheitsrisiken: Bei Fehlstarts können Trümmerteile bewohnte Gebiete treffen (z. B. chinesische Langer Marsch 5B-Stufen 2021). Militärische Raketentests erhöhen zudem die Gefahr von Eskalationen (z. B. nordkoreanische Hwasong-Tests).
- Regulatorische Hürden: Startgenehmigungen erfordern umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen (z. B. nach US-National Environmental Policy Act) und internationale Koordination, um Kollisionen mit Satelliten oder Weltraummüll zu vermeiden.
- Weltraummüll: Ausgediente Raketenstufen und abgeworfene Teile verbleiben oft als Müll im Orbit und gefährden aktive Satelliten (über 30.000 trackbare Objekte laut ESA).
Ähnliche Begriffe
Raumfahrzeug: Oberbegriff für alle Fahrzeuge, die für den Einsatz im Weltraum konstruiert sind – einschließlich Raketen, Raumschiffe (z. B. Dragon-Kapsel) und Sonden (z. B. Voyager). Im Gegensatz zu Raketen müssen Raumfahrzeuge nicht zwingend über eigene Antriebssysteme verfügen (z. B. Satelliten).
Trägerrakete: Eine spezielle Raketenklasse, die ausschließlich zum Transport von Nutzlasten (Satelliten, Sonden) in den Orbit entwickelt wurde. Beispiele: Sojus (Russland), Long March (China). Trägerraketen sind oft mehrstufig und für einmaligen Einsatz ausgelegt.
Ballistische Rakete: Eine Rakete, die nach dem Antrieb eine freifliegende (ballistische) Flugbahn beschreibt, typischerweise für militärische Zwecke. Sie umfasst Interkontinentalraketen (ICBM, Reichweite > 5.500 km) und Mittelstreckenraketen (MRBM). Im Gegensatz zu Raumfahrtraketen zielen sie auf irdische Ziele ab.
Hybridrakete: Kombiniert feste und flüssige Treibstoffkomponenten (z. B. festes Paraffin als Brennstoff, flüssiger Sauerstoff als Oxidator). Vorteile sind höhere Sicherheit und einfachere Handhabung als bei reinen Flüssigraketen, bei geringerer Effizienz als Feststoffraketen. Beispiel: SpaceShipOne (2004).
Zusammenfassung
Raketen repräsentieren eine Schlüsseltechnologie der modernen Zivilisation, die sowohl zivile als auch militärische Anwendungen revolutioniert hat. Als einzige Transportmittel, die die Erdanziehung überwinden können, bilden sie die Grundlage für Kommunikation (Satelliten), wissenschaftliche Erkenntnisse (Weltraumteleskope) und die Erforschung anderer Planeten. Trotz enormer Fortschritte – wie wiederverwendbaren Stufen oder 3D-gedruckten Triebwerken – bleiben Herausforderungen wie Kosten, Umweltauswirkungen und Sicherheit bestehen. Zukünftige Entwicklungen zielen auf nachhaltigere Treibstoffe (z. B. Methan/Sauerstoff), vollautomatisierte Starts und die Erschließung des Cislunar-Raums (Mondumlaufbahn) als Sprungbrett für Marsmissionen. Die Raketentechnik steht damit an der Schwelle zu einer neuen Ära, in der kommerzielle Akteure wie SpaceX und staatliche Agenturen wie die ESA oder CNSA um die Vorherrschaft im All konkurrieren.
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