English: Reformation Day / Español: Día de la Reforma / Português: Dia da Reforma / Français: Fête de la Réforme / Italiano: Giorno della Riforma

Der Reformationstag ist ein evangelischer Feiertag, der an die Veröffentlichung von Martin Luthers 95 Thesen am 31. Oktober 1517 erinnert. Er markiert den Beginn der protestantischen Reformation, die tiefgreifende religiöse, politische und kulturelle Veränderungen in Europa auslöste. In Deutschland ist der Tag seit 2018 ein bundesweiter gesetzlicher Feiertag.

Allgemeine Beschreibung

Der Reformationstag erinnert an ein zentrales Ereignis der Kirchen- und Weltgeschichte: die Veröffentlichung der 95 Thesen durch den Augustiner-Mönch und Theologieprofessor Martin Luther (1483–1546). Diese Thesen waren eine Kritik an Missständen der römisch-katholischen Kirche, insbesondere am Ablasshandel, bei dem Gläubigen gegen Geldzahlungen Sündenvergebung versprochen wurde. Luther schickte seine Thesen am 31. Oktober 1517 an den Erzbischof von Mainz, Albrecht von Brandenburg, und übergab sie möglicherweise auch als Anschlag an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg – ein Akt, der später symbolisch für den Beginn der Reformation stand.
Die Thesen verbreiteten sich dank des Buchdrucks rasant in ganz Europa und lösten eine theologische Debatte aus, die in der Spaltung der westlichen Kirche mündete. Die Reformation führte zur Entstehung des Protestantismus als eigenständige Konfession. Luther betonte die Prinzipien der sola scriptura (allein die Schrift), sola fide (allein durch Glauben) und sola gratia (allein durch Gnade), die die Autorität der Bibel über kirchliche Traditionen stellten. Seine Übersetzung der Bibel ins Deutsche (1522–1534) machte die Heilige Schrift für Laien zugänglich und prägte die deutsche Sprache nachhaltig.
Politisch stärkte die Reformation die Macht der weltlichen Herrscher, da viele Fürsten Luthers Ideen unterstützten, um sich von der Vorherrschaft des Papsttums zu lösen. Dies führte zu Konflikten wie dem Schmalkaldischen Krieg (1546–1547) und dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648), der Europa verwüstete.
Heute wird der Reformationstag vor allem in protestantisch geprägten Regionen begangen. Er ist ein Tag der Besinnung auf die reformatorischen Werte wie Freiheit, Verantwortung und die Bedeutung des individuellen Glaubens. In einigen Bundesländern Deutschlands war er bereits vor 2018 ein Feiertag, etwa in Sachsen, Thüringen und Teilen Niedersachsens.
Seit dem 500. Jubiläum der Reformation im Jahr 2017 ist er in ganz Deutschland ein gesetzlicher Feiertag.

Historischer Hintergrund

Die Wurzeln der Reformation reichen bis ins Spätmittelalter zurück. Die katholische Kirche stand im 16. Jahrhundert unter massiver Kritik: Korruption, Simonie (Ämterkauf) und der Ablasshandel untergruben ihr Ansehen. Gleichzeitig wuchs das Bedürfnis nach einer Rückbesinnung auf die Ursprünge des Christentums. Martin Luther, zunächst ein strenggläubiger Mönch, entwickelte durch das Studium der Bibel – insbesondere des Römerbriefs – Zweifel an der Lehre der Kirche.
Seine zentrale Erkenntnis war, dass der Mensch allein durch den Glauben an Gottes Gnade gerettet werde (sola fide), nicht durch gute Werke oder Ablasszahlungen. Diese Idee widersprach der damaligen kirchlichen Praxis, nach der Sünden durch Buße und finanzielle Leistungen getilgt werden konnten. Luthers Thesen wurden zunächst als akademische Streitpunkte formuliert, entfalteten aber durch die Druckerpresse eine unkontrollierbare Wirkung. Die Kirche reagierte mit dem Bann (1521), doch Luther fand Schutz beim sächsischen Kurfürsten Friedrich dem Weisen.
Auf dem Reichstag zu Worms (1521) weigerte er sich, seine Lehren zu widerrufen, mit den berühmten Worten: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Die Reformation breitete sich schnell aus, unterstützt von Fürsten, die in der Loslösung von Rom eine Chance sahen, ihre Macht zu stärken. 1530 legten protestantische Fürsten im Augsburger Bekenntnis ihre Glaubensgrundsätze dar. Der Augsburger Religionsfriede (1555) erlaubte schließlich den Landesherren, die Konfession ihrer Untertanen zu bestimmen (cuius regio, eius religio).

Theologische Kernpunkte der Reformation

Die Reformation basierte auf vier grundlegenden Prinzipien, die als „vier sola“ (lateinisch für *„allein“*) bekannt sind:
1. Sola scriptura (allein die Schrift): Die Bibel ist die einzige verbindliche Quelle des Glaubens, nicht kirchliche Traditionen oder Beschlüsse des Papstes. Luther übersetzte das Neue Testament (1522) und später die gesamte Bibel ins Deutsche, um sie allen Gläubigen zugänglich zu machen. Seine Übersetzung prägte die deutsche Sprache (z. B. „Freiheit“* statt *„libertas“) und wurde zur Grundlage der Lutherbibel.
2. Sola fide (allein durch Glauben): Die Rechtfertigung des Menschen vor Gott erfolgt allein durch den Glauben, nicht durch gute Werke oder Sakramente. Dies widersprach der katholischen Lehre, die Werke wie Almosen oder Wallfahrten als heilsnotwendig ansah.
3. Sola gratia (allein durch Gnade): Die Erlösung ist ein Geschenk Gottes, das der Mensch nicht verdienen kann. Luther betonte, dass der Mensch aufgrund der Erbsünde (peccatum originale) unfähig sei, sich aus eigener Kraft zu retten.
4. Solus Christus (allein Christus): Christus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen. Dies lehnte die Verehrung von Heiligen und die Fürbitte der Maria ab, die im Katholizismus eine zentrale Rolle spielten. Zusätzlich lehnte Luther sieben der sieben Sakramente der katholischen Kirche ab und erkannte nur Taufe und Abendmahl an. Seine Lehre vom „Priestertum aller Gläubigen“ betonte, dass jeder Christ direkt zu Gott beten könne, ohne die Vermittlung von Priestern.

Anwendungsbereiche

  • Religiöse Praxis: Der Reformationstag ist ein zentraler Feiertag im evangelischen Kirchenjahr. Gottesdienste, Andachten und Veranstaltungen erinnern an Luthers Wirken und die Bedeutung der reformatorischen Botschaft. In vielen Gemeinden werden an diesem Tag besondere Predigten gehalten, die sich mit Themen wie Glaubensfreiheit und Verantwortung beschäftigen.
  • Kulturelles Erbe: Die Reformation prägte nicht nur die Kirche, sondern auch Kunst, Musik und Literatur. Komponisten wie Johann Sebastian Bach schufen Werke mit reformatorischen Texten (z. B. „Ein feste Burg ist unser Gott“). Die Lutherbibel wurde zur Grundlage der deutschen Standardsprache und beeinflusste Schriftsteller wie Goethe und Schiller.
  • Politische und gesellschaftliche Auswirkungen: Die Reformation stärkte die Macht der Fürsten gegenüber dem Papsttum und trug zur Entstehung moderner Nationalstaaten bei. Sie förderte zudem die Alphabetisierung, da Luther die Bibellektüre für alle Gläubigen forderte. Auch die Idee der Gewissensfreiheit, die später in Menschenrechtserklärungen aufgenommen wurde, hat Wurzeln in der Reformation.
  • Ökumene und Dialog: Heute dient der Reformationstag auch der Begegnung zwischen Konfessionen. Seit 1999 feiern katholische und evangelische Christen gemeinsam den „Tag der Reformation“ als Zeichen der Versöhnung. 2017 unterzeichneten Papst Franziskus und die Lutheraner eine gemeinsame Erklärung, die die theologischen Unterschiede in der Rechtfertigungslehre relativierte.

Bekannte Beispiele

1. Thesenanschlag in Wittenberg (1517): Der legendäre Anschlag der 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg gilt als symbolischer Startpunkt der Reformation. Obwohl historisch umstritten ist, ob Luther die Thesen tatsächlich anschlug, wurde der 31. Oktober zum Datum des Reformationstags. Die Schlosskirche ist heute eine Gedenkstätte und UNESCO-Welterbe.
2. Reichstag zu Worms (1521): Vor Kaiser Karl V. weigerte sich Luther, seine Lehren zu widerrufen, mit den Worten: *„Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir, Amen.“* Dies markierte seinen endgültigen Bruch mit der katholischen Kirche. Der Reichstag endete mit der Ächtung Luthers, doch sein Fürst, Friedrich der Weise, rettete ihn durch eine scheinbare Entführung auf die Wartburg.
3. Augsburger Religionsfriede (1555): Dieser Vertrag beendete vorläufig die konfessionellen Konflikte im Heiligen Römischen Reich. Er erlaubte den Landesherren, die Religion ihrer Untertanen zu bestimmen („cuius regio, eius religio“), und anerkannte den Protestantismus als gleichberechtigte Konfession. Der Friede war ein wichtiger Schritt zur Toleranz, wenn auch noch nicht zur vollen Religionsfreiheit.

Risiken und Herausforderungen

  • Konfessionelle Spaltung: Die Reformation führte zu jahrhundertelangen Konflikten zwischen Protestanten und Katholiken, darunter der Dreißigjährige Krieg (1618–1648), der Millionen Menschen das Leben kostete. Die Spaltung der Kirche hatte auch politische Folgen, etwa die Teilung Deutschlands in protestantische und katholische Territorien.
  • Radikalisierung und Sektenbildung: Neben der lutherischen Reformation entstanden radikalere Bewegungen wie die Täufer, die Gewaltlosigkeit und Gütergemeinschaft forderten. Einige Gruppen, wie die Münsteraner Täufer (1534–1535), eskalierten in gewalttätigen Aufständen, was zu ihrer Verfolgung führte.
  • Antijudaismus und Antisemitismus: Luther äußerte in seinen späteren Schriften (z. B. „Von den Juden und ihren Lügen“, 1543) judenfeindliche Positionen, die später von den Nationalsozialisten instrumentalisiert wurden. Die evangelische Kirche setzt sich heute kritisch mit diesem Erbe auseinander.
  • Moderne Interpretationskonflikte: Die Deutung der Reformation ist bis heute umstritten. Während einige sie als Befreiung vom „Aberglauben“ feiern, kritisieren andere ihre Rolle bei der Zersplitterung des Christentums. Auch Luthers Haltung zu Frauen (z. B. seine Ablehnung des Priestertums für Frauen) wird heute hinterfragt.
  • Säkularisierung und Bedeutungsverlust: In zunehmend säkularen Gesellschaften verliert der Reformationstag für viele Menschen an Bedeutung. Während er in ostdeutschen Bundesländern traditionell stark verankert ist, wird er in westdeutschen Regionen oft weniger beachtet.

Ähnliche Begriffe

  • Gedenktag der Heiligen (katholisch, 1. November): Der katholische Feiertag Allerheiligen am 1. November steht in direktem zeitlichen Bezug zum Reformationstag. Während Protestanten am 31. Oktober die Reformation feiern, gedenken Katholiken am folgenden Tag aller Heiligen. In einigen Regionen (z. B. Bayern) ist Allerheiligen ein gesetzlicher Feiertag.
  • Buß- und Bettag: Ein evangelischer Feiertag (Mittwoch vor dem 23. November), der zur Besinnung und Buße aufruft. Er hat zwar keine direkte Verbindung zur Reformation, wird aber oft mit reformatorischen Themen wie Umkehr und Erneuerung verbunden. In Sachsen ist er ein gesetzlicher Feiertag.
  • Konterreformation: Die Antwort der katholischen Kirche auf die Reformation, eingeleitet durch das Konzil von Trient (1545–1563). Sie umfasste Reformen innerhalb der Kirche (z. B. Abschaffung des Ablasshandels) sowie die Gründung des Jesuitenordens zur Missionierung protestantischer Gebiete.
  • Puritanismus: Eine radikale protestantische Bewegung des 16.–17. Jahrhunderts, die vor allem in England und Nordamerika Einfluss hatte. Die Puritaner strebten eine „Reinigung“ der Kirche von allen katholischen Elementen an und prägten die politische Kultur der USA (z. B. durch die Pilgerväter).

Zusammenfassung

Der Reformationstag erinnert an Martin Luthers Thesenanschlag von 1517, der die christliche Welt grundlegend veränderte. Die Reformation führte zur Entstehung des Protestantismus, stärkte die Macht der Fürsten und prägte Kultur, Sprache und Politik Europas. Heute ist der 31. Oktober in Deutschland ein gesetzlicher Feiertag, der zur Reflexion über Glaubensfreiheit, Verantwortung und ökumenische Versöhnung anregt. Gleichzeitig mahnt die Geschichte der Reformation zur kritischen Auseinandersetzung mit ihren ambivalenten Folgen: Während sie individuelle Glaubensfreiheit förderte, führte sie auch zu konfessionellen Konflikten und Gewalt. Die evangelische Kirche sieht sich heute in der Pflicht, Luthers Erbe zu bewahren, ohne seine Fehler zu beschönigen – etwa seinen Antijudaismus oder die Ausgrenzung anderer Glaubensrichtungen. Der Reformationstag bleibt damit ein Tag der Erinnerung, der Herausforderung und der Hoffnung auf Einheit.

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